01.04.2009 - HEFTRICH Von Beke Heeren-Pradt
Moderne Pietà-Skulptur des Künstlers Sven Backstein in der evangelischen Kirche Heftrich
Der Dialog zwischen Glaube und Kunst - in Heftrich hat er plastische Gestalt angenommen. Seit Sonntag ist in der evangelischen Dorfkirche die "Heftricher Pietà" des ortsansässigen Künstlers Sven Backstein zu sehen, eine moderne Darstellung der Maria, die den toten Leib ihres Sohnes Jesus auf dem Schoß hält.
Durch viele Jahrhunderte sind immer wieder Darstellungen diese Szene des Leides von Malern und Bildhauern aller Zeiten, Glaubens- und Stilrichtungen geschaffen worden. Die berühmteste und von vielen als vollkommenste ihrer Art angesehene ist die römische Pietà von Michelangelo aus dem Jahr 1499, die im Petersdom zu sehen ist. Kaum ein Künstler, der sich nicht mit diesem Meisterwerk auseinandergesetzt hätte. So auch der Heftricher Künstler Sven Backstein, der in und um Idstein bereits bekannt ist wegen der Goldsteine vor dem Rathaus und der Betonfiguren auf einer Bank in der Fußgängerzone.
Sven Backstein nennt sich Betonkünstler, fertigt seine Skulpturen ausschließlich aus Beton an. Ein Werkstoff, den jedermann sonst eher ausschließlich als Baumaterial kennt.
Vor einem guten Jahr kam er nach der Beschäftigung mit alten Meistern auf die Idee, selbst eine Pietà erschaffen zu wollen, aus seinem Werkstoff, mit seinen modernen Mitteln. Ihm war klar, dass eine solche Skulptur nicht irgendwo auszustellen ist, daher fragte er bei der benachbarten evangelischen Kirche in Heftrich an und fand in Pfarrer Markus Eisele einen offenen und interessierten Dialogpartner, der den Prozess des Werdens der Skulptur begleitete.
Leid, Schmerz und Trauer, das sind die Inhalte, die von der Szenerie der Maria mit ihrem toten Sohn ausgehen. "In der Kunstgeschichte kann man die unterschiedlichsten Akzentuierungen bei den verschiedenen Darstellungen beobachten", erzählt Backstein von seiner Beschäftigung mit dem Thema aus künstlerischer Sicht. Er habe daher bei seiner Pietà eine weitgehend abstrakte Formgebung gewählt. Zwar wollte er, dass Maria sofort erkannt wird - was ihm auch gelungen ist - aber anstelle der Jesusfigur hat Backstein einen großen klaffenden Spalt in die Marienfigur gearbeitet. "Bei diesem Werk geht es um die Darstellung des Verlustes", erklärt er in einer Einführung am Ende des sonntäglichen Gottesdienstes. "Und wie besser kann man einen Verlust darstellen als durch Weglassen?"
Die Beschränkung auf das Wesentliche, darauf legt er das Hauptaugenmerk seiner Skulptur. Der Betrachter solle gleich an die Hintergründe gelangen können, auch an das Innere der Maria.
Die Heftricher Pietà ist eigentlich nur eine Hülle. In ihrem Innern sollen Kerzen aufgestellt werden, die mit dem Widerschein der goldenen Farbe des Hohlraumes Wärme und Lebendigkeit bringen.
Pfarrer Markus Eisele begrüßt das Kunstwerk und damit auch den Dialog zwischen Kunst und Glauben als wesentliche Bereicherungen in seiner Kirche und Gemeinde. Die Pietà-Szenerie sei nur selten in einer evangelischen Kirche zu finden, meint er. Dennoch rücke sie die Beschäftigung mit der Trauer, die Bedeutung des Leides in den Mittelpunkt. "Der christliche Glaube verdrängt das Leiden nicht, sondern sieht es vielmehr als wesentliches Element. Dies ist schon allein dadurch ausgedrückt, dass das Kreuz das Symbol des Christentums ist", gab er einige Erläuterungen zum neuen Kunstwerk aus theologischer Sicht.
Die Gemeinde tritt gerne ein in ein Gespräch über das neue Kunstwerk in ihrer Kirche. Das Thema Pietà beschäftigte sie bereits im vergangenen Jahr in der Passionszeit. Diese Beschäftigung wird jetzt angesichts der modernen Inszenierung durch Sven Backstein sicher noch weiter geführt.
Aus der Bibel:
Der Evangelist Johannes berichtet über Jesu Mutter am Kreuz:
„Als nun Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter: Frau, siehe, das ist dein Sohn! Danach spricht er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter! Und von der Stunde an nahm sie der Jünger zu sich."
Wenig später stirbt er.